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Karl Otto Franke Wuppertal
Der Säure-Basen-Haushalt
Der Säure-Basen-Haushalt ist noch lange kein abgegriffenes Thema!
Über den Säure-Basen-Haushalt des Menschen ist in der letzten Zeit viel geschrieben und diskutiert worden. Mancher von uns mag da schon bei der Erwähnung des Themas müde abwinken: Was gibt es da noch Neues zu berichten?
Grundsätzlich Neues sicherlich nicht! Ist aber die Bedeutung des Säuren-Basen-Haushalts für die Therapie wirklich erkannt worden und ist diese Erkenntnis auch für die tägliche Arbeit mit dem Patienten umgesetzt worden?
Und selbst wenn der Therapeut sich des Themas intensiv angenommen hat: Gelingt es ihm, auch dem Patienten die krankheitsfördernde Wirkung einer latenten Übersäuerung verständlich zu machen?
Für den Durchschnittsbürger ist alles Säure, was sauer schmeckt, und dem Volksmund zufolge “macht sauer” eben doch immer noch “lustig”!
Fakten
Als Säuren wirken alle Verbindungen, die Protonen abzugeben in der Lage sind (Protonen-Donatoren).
(Protonen sind bekanntlich positiv geladene Kerne eines Atoms. Wenn ein Wasserstoff-Atom sein einziges Elektron abgibt und so zum Ion wird (= H+), dann bleibt von ihm eben nur der Kern übrig.)
Basen sind definitionsgemäß alle Verbindungen, die Wasserstoff-Ionen zu binden in der Lage sind.
Die Puffersysteme
Der menschliche Organismus ist so ausgerichtet, daß die meisten Stoffwechselvorgänge einerseits zwar in basischem Milieu stattfinden, dabei andererseits aber starke Säuren anfallen, die für den Organismus eine Schädlichkeit darstellen.
Wesentliche Aufgabe einer Reihe von Organen, wie Lunge, Nieren und Leber ist es, das innere Milieu im basischen Bereich aufrecht zu erhalten und die Schädlichkeit der Säuren (H+-Ionen) aufzufangen.
Hierfür stehen dem Körper Puffersysteme in großer Menge zur Verfügung.
Puffersysteme sind Gemische aus schwachen Säuren und ihren Salzen, wie etwa das Puffersystem Kohlensäure/ Natrium-Hydrogencarbonat: H2CO3/NaHCO3.
Unser Körper besteht zum größten Teil aus Wasser. Dieses Wasser verteilt sich auf drei Flüssigkeits-Kompartimente: Zellflüssikeit im Intrazellularraum, Gewebeflüssigkeit im Interzellularraum und das Blutplasma im Intravasalraum. In allen drei Kompartimenten haben die Puffersysteme eine gleichgroße Bedeutung, aber der Gesamtorganismus wacht am “eifersüchtigsten” über die Konstanterhaltung des pH-Wertes im Blut.
Stoffwechselentgleisungen
Die physiologischen Grenzen des normalen Blut-pH sind sehr eng:
pH 7,38 - 7,42.
Oberhalb bzw. unterhalb dieser Werte spricht man bereits von Alkalose resp. Azidose. Bezeichnet werden diese Stoffwechselentgleisungen als kompensierte Alkalose, resp. kompensierte Azidose, solange pH-Werte von 7,3 und 7,5 nicht überschritten bzw. unterschritten werden.
Anderenfalls wird von dekompensierte Alkalose oder Azidose gesprochen.
In der täglichen Praxis werden dekompensierte Azidosen (und Alkalosen) praktisch nicht gesehen. Dieses sind Fälle für die klinische Intensiv-Medizin.
Messungen des Blut-pH in der Praxis zeigen meist Werte, die deutlich im physiologischen Bereich liegen, so daß nicht von einer kompensierten Azidose gesprochen werden kann.
Die Entgiftung des menschlichen Körpers
Ist damit aber der Gesamtorganismus unbedingt in der physiologischen Norm ?
Die Pufferkapazität von Blut und Geweben ist, wie schon gesagt, sehr groß. In der ersten Front gegen den Angriff der Säuren werden starke Säuren zu schwachen Säuren ab gepuffert.
Die flüchtige Säure Kohlensäure wird auf dem Blut weg zur Lunge transportiert und hier durch Abrauchen von Kohlendioxid (CO2) eliminiert
(H2CO3 —> CO2 + H2O).
Da der Kohlensäure-Gehalt des Blutes der physiologische Reiz für das Atemzentrum (in der Medulla oblongata) ist, wird durch die Modulation von Atemfrequenz und Atemtiefe die Säureelimination flüchtiger Säure gesteuert.
Einer Übersäuerung des Blutes wird durch Hyperventilation zwar vorgebeugt, es wird mit jedem abgeatmetem Kohlendioxid-Ion aber auch ein pufferndes Basen-Molekül verbraucht, welches sich das Blut gebenenfalls aus den Geweben “ausleihen” muß, um den pH-Wert des Blutes konstant zu halten!
Nichtflüchtige Säuren, wie etwa die Brenztraubensäure, Milchsäure u.a., werden über H+ -Ionen-Aus-scheidung über den Tubulus-Apparat der Niere mit dem Harn aus dem Körper entfernt.
Neben Lunge und Nieren spielen auch die Leber (als Entgiftungsorgan für Ammonium) und der Magen eine wichtige Rolle.
Für den Säure-Basen-Haushalt stellen sie eine Organeinheit dar.
Beim Magen wird leicht übersehen, daß die Belegzellen des Magenfundus zwar die Aufgabe haben, starke Salzsäure in großer Menge für die Verdauung zu produzieren, dass sie aber schon hierzu große Mengen Natrium-Hydrogencarbonat produzieren und in einer regelrechten Basenflut an die Blutbahn abgeben.
Immer spielen also bei der Säure-Elimination über die Ausscheidungsorgane die Puffersysteme eine entscheidende Rolle, und immer wird dabei die Pufferkapazität im Sinne des Verbrauchs angegriffen.
Da das Blut als Transportsystem die zentrale Rolle spielt, werden ihm von den Geweben alle Pufferreserven zur Verfügung gestellt, damit der Blut-pH möglichst konstant gehalten wird.
Ein normaler pH-Wert des Blutes sagt also nichts über die Puffer-reserven der Gewebe (also den Intrazellularraum aller Zellen) aus!
Selbst bei noch optimalem Blut-pH kann diese Pufferreserve schon total erschöpft sein und die Gewebe hoffnungslos übersäuert sein (=latente Azidose).
Entstehung der latenten Azidose
Wenn die Pufferkapazität aber so groß ist (das Basen/Säure-Verhältnis des Blutes beträgt 20:1!), wie kann es dann zu einer latenten Azidose kommen?
Und welche Auswirkungen hat eine latente Azidose auf die Befindlichkeit des Gesamtorganismus und die Entstehung von Krankheiten?
Schon PARACELSUS empfiehlt vor fast genau 5oo Jahren, “keine ausgelaugten, verfeinerten, gefärbten und mit allen erdenklichen Chemikalien haltbar gemachten Sterbemittel, sondern urgesunde und vollwertige naturnahe Lebensmittel” zu verabreichen.
Führt man sich vor Augen, wie unsere “Altvorderen” zu jener Zeit gelebt haben, dann wird einem bewusst, dass der zugewonnene Wohlstand, der technische Fort-schritt und die “verbesserten” Lebensgewohnheiten dieser Empfehlung keineswegs die Aktualität genommen haben.
Berechtigt ist nach wie vor der Vorwurf von F.X.MAYR, es werde generell “zu schnell, zu viel, zu oft, zu schwer, zu spät und zu viel Eiweiß gegessen” und “viel zu trocken und ohne Fastenpausen gelebt”.
Neben einem viel zu hohen Verbrauch an Fleisch, Zucker, zuckerhaltigen Süßigkeiten und “Zwischenmahlzeiten”, gesättigten Fetten und hochausgemahlenen Getreiden spielt die Aufbereitung der Nahrungsresourcen eine wesentliche Rolle.
Die Liste der erlaubten Zusatzstoffe erscheint schier endlos und kaum ein Lebensmittel gelangt heute naturbelassen auf dem Tisch des Durchschnittsverbrauchers.
Eine geradezu krankhafte Hinwendung der jüngeren Generation zu “fast Food” und “Junk Food” tut ein Übriges, daß allein ernährungsbedingt bei einem großen Teil unserer Bevölkerung eine latente Azidose eingetreten ist.
Reizüberflutung, Stress und Genuss-Gifte führen zu einem unphysiologisch erhöhten Sympathotonus. Erhöhter Sympathotonus aber heißt Katabolismus, heißt gesteigerter Stoffwechsel, heißt vermehrter Säureanfall.
Und wenn dann obendrein die geforderten mindestens 2 Liter Flüssigkeit pro Tag nicht aufgenommen werden, dann darf es nicht wundern, wenn sich die Pufferreserven der Zellen erschöpfen, Säuren in Form ihrer Salze liegenbleiben und die Gewebe regelrecht verschlacken.
Verschlechtert wird die Situation, wenn die Säurebildung als Folge von Stoffwechselentgleisungen, wie etwa beim Diabetes mellitus, oder infolge chronischer Darmgärung (Candidabelastung!) gesteigert ist. Auch Fieber und Hunger-zustände, Kalium-Mangel und viele medikamentöse Therapien (ASS, Kortikosteroide u.v.a.) belasten die Säure-Basen-Bilanz zusätzlich.
Symptomatik der latenten Azidose
Eine klare Symptomatik, die eindeutig auf eine latente Übersäuerung hinweist, gibt es nicht. Da die Problematik ja jede der Billionen von Körperzellen betrifft, dürfen organbezogene Symptome - ähnlich wie auch bei Störungen in der Bilanz von Mineralien und Spurenelementen - logischerweise auch nicht erwartet werden.
Erklärend für den kausale Zusammenhang zwischen latenter Azidose und Erkrankungen sollen hier drei einfache Beispiele stehen:
1. Der Patient ist auffallend blass. Er klagt ständig über kalte Füße und Hände. Die Anfälligkeit für Erkältungen ist groß.
Eine latente Azidose erklärt diesen Zustand: Übersäuerte Erythrozyten werden prall und starr: Feinste Arteriolen können sie nicht mehr passieren. Gleichzeitig ist das Sauerstoffbindungsvermögen herabgesetzt.
Eine Verbesserung der Säure-Basen-Bilanz wird hier die periphere Durchblutung deutlich verbessern.
2. Der Patient hat einen mäßig hohen Blutdruck.
Eine latente Azidose zwingt seine Nieren, vermehrt H+-Ionen auszuscheiden. Dabei werden im Ionen-austausch vermehrt Na+-Ionen zurückgehalten.
Eine Verbesserung der Säure-Basen-Bilanz wird hier zu einer vermehrten Natriurese führen und die Blutdrucksituation verbessern.
3. Der Patient klagt über große Schmerzempfindlichkeit seiner Zähne. Eine zahnmedizinische Abklärung ergibt keinen Befund.
Eine latente Azidose führt hier zu einer Herabsetzung der Schmerzschwelle.
Eine Verbesserung der Säure-Basen-Bilanz führt hier zu einer Heraufsetzung der Schmerzschwelle.
Schmerzen werden nicht mehr empfunden.
Hinweise aus der einschlägigen Fachliteratur belegen, daß sich diese Auflistung von Beispielen über die verschiedensten Symptome fortsetzen lässt, so dass es sich fast immer lohnt, bei Erkrankungen eine latente Azidose in die Überlegungen mit einzubeziehen.
Diagnose der latenten Azidose
Wie kann nun eine latente Azidose diagnostiziert werden?
Es wurde oben schon dargelegt, dass sich die pH-Metrie des Blutes hierfür nur wenig eignet. Auch die einfache pH-Metrie des Urins als Tagesprofil ist nur bedingt geeignet und scheitert häufig schon an der Compliance des Patienten.
Als allgemein anerkannt gelten heute die von SANDER beschriebene Methode der Bestimmung aus dem Urin und die Säuren-Basen-Diagnostik aus dem Blut nach JOERGENSEN.
Für die tägliche Praxis sollte im Regelfall aber eine einmalige Stoßbelastung des Patienten mit Natrium-Hydrogencarbonat* ausreichen, wie sie schon 1902 von VAN SLYKE vorgeschlagen wurde:
Innerhalb weniger Stunden nach der Gabe sollte der Urin-pH eindeutig basisch sein. Ist er es nicht, so kann in jedem Fall von einer latenten Azidose ausgegangen werden.
Ernährungsumstellung
Ba senreiche Kost:
Größter Basenlieferant durch die Nahrung sind alle Gemüse (mit Ausnahme von Rosenkohl und Spargel) - und hier an erster Stelle die Kartoffel - sowie Wildkräuter und pflanzliche Gewürze.
Einer latenten Azidose begegnet man also am erfolgreichsten durch drastische Umstellung der Ernährungsgewohnheiten.
Obwohl viele Argumente für die rein vegetarische Kost sprechen, bedeutet dieses aber keineswegs, dass alle Fleischliebhaber zu Vegetariern werden müssen. Erreicht werden sollte aber möglichst ein Verhältnis von nur 20% säureliefernder Kost zu 80% Basenkost.
Viel Trinken:
Begleitet werden sollte die Umstellung durch tägliches Trinken von mindestens 2 Litern Kalium- und bicarbonatreichen Mineralwassers, koffeinfreier Gebrauchstees oder selbsthergestellter Gemüsebrühe. Körperliche Aktivität und Sport, Sauna und heiße Wannenbäder fördert zusätzlich die Säureelimination über die Haut.
So einfach und griffig diese Maßnahmen klingen, sie werden nur selten konsequent - und damit wirklich auch wirksam - durchgeführt.
Der Therapeut steht sehr oft vor der Notwendigkeit, auch medikamentös eine Unterstützung zu geben.
Nahrungsergänzung
Die Zufuhr von Hydrogencarbonat und von Mineralien und Spurenelementen in Form geeigneter Mineralstoffpräparate und alkalisierender Nahrungsergänzungsmittel erscheint geboten.
Zum Beispiel mit Basakatt werden dem Organismus Natriumhydrogencarbonat und Calciumcarbonat zugeführt und sollte mit entsäuernden diätetischen Maßnahmen sinnvoll unterstützt und ergänzt.
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