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Ein Schweizer Geschäftsmann in Pjöngjang -
Felix Abt stellt Aspirin für Nordkorea her und kämpft mit den
Auswirkungen der Sanktionen -
Aus Nordkorea berichtet Anne Schneppen -
PJÖNGJANG, 15. Mai. In Nordkorea leben kaum Ausländer, die westliche
"Expat"-Gemeinde ist überschaubar. Einer kennt den anderen, und jeder kennt
Felix Abt. Der Schweizer macht Geschäfte auf schwierigstem Terrain, trotz
Nuklearkrise, Wirtschaftssanktionen oder Behinderungen des Zahlungsverkehrs.
"Ich bin optimistisch", sagt der 52 Jahre alte Aargauer, der seit fünf Jahren mit
seiner Familie in Pjöngjang wohnt und nicht den Eindruck macht, als wolle er so
bald wieder weg. Früher einmal vertrat er den Großkonzern ABB, heute stellt er in
einer Fabrik in Nordkoreas Hauptstadt Aspirin her und lässt Software für
Computerspiele entwickeln. Daneben leitet er die "Pyongyang Business School"
und steht der Europäischen Wirtschaftsvereinigung (EBA) als Präsident vor. Die
hat immerhin zwölf Mitglieder, darunter die Logistikgesellschaft der Deutschen
Post (DHL) und die russische Eisenbahn. Mitunter berät er ausländische
Unternehmen, die in - oder mit - Nordkorea ins Geschäft kommen wollen.
Vorsichtig zwar, aber nicht gänzlich abgeschreckt von Sanktionen und politischen
Spannungen, strecken einige die Fühler aus. "Mindestens einmal in der Woche
bekomme ich eine Anfrage", erzählt der Schweizer. Interesse bestehe in der
Leichtindustrie, bei Rohmaterialien und im Bergbau. British American Tobacco
(BAT) ist schon länger da.
Verzögerungen durch die Finanzsanktionen könnten die ausländischen Partner
bewältigen, meint Abt. "Schwieriger sind die Wirtschaftssanktionen." Die
internationale Gemeinschaft hat die Aufhebung dieser Sanktionen zugesagt, sollte
sich Pjöngjang bereit erklären, sein Nuklearprogramm schrittweise abzubauen.
Derzeit gibt es allerdings noch Probleme mit 25 Millionen Dollar auf
nordkoreanischen Konten in Macao; dies wiederum nimmt Pjöngjang als Vorwand,
einen Atomreaktor nicht wie im Februar in Peking verabredet herunterzufahren.
"Engagement ist besser als Isolation", rechtfertigt Abt seine Arbeit. Für
verarbeitende Betriebe werde es jedoch schwer, wenn Chemikalien oder Kleinteile,
die von außen eingeführt werden müssen, auf der "schwarzen Liste" stehen, da
sie auch militärisch genutzt werden könnten. Das Interesse ausländischer
Unternehmen an Nordkorea habe jedenfalls seit den jüngsten
Sechsländergesprächen wieder merklich zugenommen. Mehr Delegationen
kommen ins Land.
"Die nächste Priorität hier ist die wirtschaftliche Entwicklung", glaubt Abt, der
von einem "sozialistischen Marktsystem" spricht und an das Beispiel Vietnam
erinnert, wo er von 1995 bis 2002 arbeitete. "Vor zehn Jahren hätte ich nicht
gedacht, dass sich Vietnam so schnell entwickeln würde." Obwohl Nordkorea seit
Anfang der neunziger Jahre einiges an Expertise eingebüßt habe, gebe es eine
"sehr gute industrielle Kultur". In seinem Gemeinschaftsunternehmen PyongSu
Pharma Joint Venture Co. wird das Schmerzmittel "PyongSu Spirin" hergestellt,
auch Antibiotika, Arzneimittel gegen Magengeschwüre und parasitäre Krankheiten.
Die Maschinen kommen aus Deutschland, Japan oder Taiwan.
Ausgelastet ist die Fabrik noch nicht, bislang gibt es nur eine Schicht und 30
Arbeiter. Für einen Arbeiter zahlt PyongSu einen Monatslohn von 30 bis 35 Euro,
etwas weniger, als südkoreanische Gesellschaften in der gemeinsamen
Industriezone Kaesong entrichten. Abt hebt das niedrige Lohnniveau als Anreiz für
ausländische Unternehmer hervor. "Europäische, gleich wie chinesische
Unternehmen, können zudem mit relativ geringen Einschränkungen im ganzen
Land produzieren und sind nicht wie Südkoreaner auf Kaesong angewiesen." Als
Auftraggeber für PyongSu hat der umtriebige Geschäftsmann vor allem
ausländische Regierungen und Nichtregierungsorganisationen im Auge, die im
Rahmen ihrer humanitären Hilfen auch Medikamente zusagen. Anstatt diese von
außen zu ordern, könnten sie direkt bei dem Gemeinschaftsunternehmen des
Schweizers produziert werden, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) tut dies
schon. Das habe zudem den Nebeneffekt, dass eine Grundlage zum Aufbau einer
kleinen lokalen Pharmaindustrie geschaffen werden könnte. Die nordkoreanischen
Krankenhäuser sind zu 70 bis 80 Prozent auf ausländische Spenden angewiesen.
Andererseits können sich, schätzt Abt, immerhin bis zu 30 Prozent der
Hauptstadtbevölkerung importierte Medikamente leisten. In der Hotelapotheke
werden 20 Aspirin-Tabletten von PyongSu für knapp einen Euro verkauft.
Während manche Stagnation oder gar Rückschritte beklagen, zeigt Abt sich
ostentativ hoffnungsfroh und verweist auf Veränderungen, die er in den
vergangenen Jahren beobachten konnte. Den Menschen auf dem Land gehe es
besser, hätten sie doch mehr Möglichkeiten zum Nebenerwerb, könnten selbst
anpflanzen und ihre kleinen Überschüsse auf Märkten verkaufen. Stromausfälle
seien viel weniger ein Problem als noch vor fünf Jahren. In der Hauptstadt führen
doppelt so viele Autos, es gebe mehr Märkte, Geschäfte, Restaurants. "Der
Lebensstandard ist gestiegen. Vor fünf Jahren bin ich hier noch um acht Uhr
abends mit einem Schlafsack ins Bett gegangen, es gab weder Heizung noch
Strom." Mit der Gründung einer "Business School", unterstützt von der Schweiz,
greift Abt nicht nur einer ungewissen Zukunft vor. Er glaubt, dass es ausgebildete
Praktiker braucht, um Nordkoreas maroder Wirtschaft wieder auf die Beine zu
helfen, und dabei geht es wohl auch darum, nicht von billigen chinesischen
Importen überschwemmt zu werden. Schon jetzt ist Chinas Einfluss überall
präsent. Die "Studenten" kommen aus den staatseigenen Betrieben des
kommunistischen Landes, etwa 30 sitzen in jedem der mehrtägigen Seminare.
Behandelt wird "die Einführung in das internationale Handelsrecht" oder
"strategisches Management". Die Dozenten sind erfahrene Manager aus dem
Ausland. In Pjöngjang wird erzählt, dass mehr und mehr Jugendliche davon
träumen, einmal "Geschäftsmann" zu werden. Doch bis dahin braucht es im
vermeintlichen Arbeiterparadies mehr als Seminare.
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